Nutzungsrechte am Gemeindevermögen ziehen sich wie ein roter Faden durch viele Dokumente, Verordnungen und Gesetze der vergangenen Jahrhunderte bis heute.

Solche Nutzungsrechte zugunsten der Bauern sind schon aus dem vielleicht ältesten diesbezüglichen Dokument, nämlich der durch Albrecht, Pfalzgraf bey Rhein, Herzog von Obern und Nidern Bayern erlassenen Forstordnung von 1568 ersichtlich.

Er hat sich schon früh Gedanken um Nachhaltigkeit in den Wäldern gemacht, nachdem er festgestellt hat, dass es damit im Argen liegt. Das hat ihn veranlasst, eine Forstordnung zu erlassen. Und dort steht unter anderem unter Kapitel 43 geschrieben:

"Damit aber solcher unleidenlicher grosser schad in den gemain hölzern hinfüran verhuet und abgestellt wird, auch dieselben wider auffgebracht werden, sollen die gebaursleut, so von alter her ihren Holzschlag an den gemain hölzern haben".

Bereits 1568 ist also davon die Rede, dass die Bauern von alters her Nutzungsrechte an den Gemeindehölzern ausgeübt haben und dies auch weiterhin so gewollt ist.

Das Ganze manifestiert sich dann auch im Zivilrechtskodex,dem Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 unter Maximilian III. Joseph, Kurfürst von Bayern.

Dieses Gesetzbuch, das in Bayern bis zum Inkrafttreten des BGB galt und unter anderem Nutzungsrechte mit Gemeindegründen in Beziehung setzt, enthält die folgenden Vorschriften:

"Zweiter Teil, 1. Kapitel

("Von den Pflichten und Rechten in Ansehen Hab und Guts überhaupt") § 6:

Was einer ganzen Stadt, Dorfschaft, Zunft oder anderer Gemeinde eigen ist, jedoch dergestalt, dass sich jedes Mitglied von der Communität dessen gebrauchen kann, wie z.E. Gemein-Weise oder Holzschlag, Schützenstätte, öffentliche Gänge und Gassen, Schulen, Brunnen und dergleichen, das ist und heißt Res Universitatis."

Danach gehört das Eigentum der Universitas (Gemeinde, Anm.), die Benutzung den einzelnen Gliedern derselben (Communität / Gemeinschaft)…

Dann finden wir wieder etwas im 1. Kapitel §14 des Edikts über das Gemeindewesen vom 24. September 1808, erlassen von König Maximilian I., mitunterzeichnet von den Ministern Montgelas, Hompesch und Morawitzky. Danach wurden unter Gemeindegründen solche verstanden, welche zwar der Gemeinde gehörten, aber von den einzelnen Gemeindegliedern benützt wurden. Alle Gemeinder hatten Anspruch auf die Gemeindegründe.

Im Gemeinde-Edikt vom 17.5.1818 bzw. seiner Revision von 1884 ist dann ebenfalls hierzu wieder zu lesen:

"Alle Gemeinde-Glieder haben Anspruch auf die Gemeinde-Gründe…"

Wir sehen also, die Nutzung am Gemeindegrund zieht sich kontinuierlich durch das gesamte Mittelalter bis in die Neuzeit in Form gesetzlicher Ordnungen und hat sich dann logischerweise auch niedergeschlagen in den Steuerkatastern und im Liquidationsprotokoll der einzelnen Anwesensbesitzer von ca. 1840. Dort heißt es:

"Liquidant hat ganzes Gemeinderecht."

Und als die heutigen Grundbücher angelegt wurde, wurden diese Rechte dann meist auch ins Grundbuch der Anwesensbesitzer eingetragen.

Alles hat also eine gewisse Kontinuität und man könnte als normal denkender Mensch nun schon allein anhand des gesamten historischen Sachverhalts der Meinung sein, es sei doch ganz klar, dass die Rechtler die Nutzungsrechte innehaben müssten, insofern sie diese auch bis heute regelmäßig ausgeübt haben, so dass sie nicht schlicht und einfach durch Verjährung erloschen sein können.

Die Nutzungsrechte haben aber auch Einzug in die Gemeindeordnungen gefunden. Beispielsweise steht in der Bayerischen Gemeindeordnung von 1869

32. Abgesehen von dem Falle des Art. 31 Abs. II ist die Verwendung von Nutzungen des Gemeindevermögens zum Privatvortheile nur insoweit statthaft, als hiefür ein besonderer Rechtstitel oder rechtsbegründetes Herkommen besteht.

33. Auf dem Gemeindeverband sich gründende Rechte auf Gemeindenutzungen, welche auf einem Hause oder Grundstücke ruhen, dürfen hievon nicht getrennt werden.


In den Erläuterungen zur Bayerischen Gemeindeordnung von 1869 mit den Vollzugsvorschriften

herausgegeben von Dr. Gustav von Kahr, Präsident des kgl. Verwaltungsgerichtshofs, finden wir auf Seite 225 eine Antwort auf die immer wieder gestellte Frage, was denn eigentlich Inhalt und die Bedeutung eines Gemeinderechts sind:

Den Kern dieser Nutzungen bilden die sog. Almenden, d.h. die Nutzungen an den unvertheilten Gemeindegründen, Bauholz-, Brennholz- und Streuabgaben aus dem Gemeindewald, Gestattung der Weide auf unvertheilten Gemeindegründen, Vertheilung von Gemeindegründen zur Nutznießung und dergl. Doch kommen noch mancherlei andere Gemeindenutzungen vor, z.B. das Recht auf unentgeltliche Benützung des Gemeindestieres, das Recht, in der Gemeindeschmiede um einen gewissen, billigeren Preis bedient zu werden, das Recht auf Benützung eines Kommunbrauhauses und dergl...

Auch können wir dem Text hinsichtlich des Herkommensrechtes (Gewohnheitsrechts) auf S. 227 entnehmen:

...das Gewohnheitsrecht dagegen hat die Bedeutung und Kraft eines Gesetzes...

Das Gemeinderecht als Herkommensrecht (Gewohnheitsrecht) ist danach also ein ziemlich umfassendes Recht mit dem Charakter eines Gesetzes.

In der bayerischen Gemeindeordnung von 1927 finden wir:

§ 4 = Art. 34 GO 1927
Rechte einzelner auf Nutzungen am Gemeindevermögen sind begründet, wenn und soweit hierfür ein besonderer Rechtstitel oder rechtsbegründetes Herkommen besteht. Diese Rechte können auch ausgeübt werden, wenn die Gemeinde Umlagen, örtliche Abgaben oder örtliche Verbrauchssteuern erhebt.

§ 5 = Art. 35 GO 1927
Das Herkommen gilt als rechtsbegründet, wenn die Nutzungen kraft Rechtsüberzeugung ununterbrochen wenigstens dreißig Jahre lang bis zum 1. April 1928 … ausgeübt worden sind ….


Selbst die Deutsche Gemeindeordnung von 1935, die zwischenzeitlich mal die Gemeindeordnungen der einzelnen Länder ersetzt hat, schreibt das bisherige Recht fest:

§ 64. Für die Bewirtschaftung der Gemeindewaldungen gilt das bisherige Recht.

§ 65. (1) Für die Nutzung des Gemeindevermögens, dessen Ertrag nach bisherigem Recht nicht der Gemeinde, sondern sonstigen Berechtigten zusteht (Gemeindegliedervermögen), verbleibt es bei den bisherigen Vorschriften und Gewohnheiten.


Diese früheren Gemeindeordnungen geben uns ein paar ganz brauchbare klarstellende Informationen. Zusammengefasst könnte man daraus entnehmen, dass, wer das Recht über viele Jahrzehnte ausgeübt hat und dieses Recht im rechtsbegründeten Herkommen, also im Gemeindeverband selbst begründet ist, d.h. darin, dass die Anwesen, für die diese Rechte bestehen, sehr alte Anwesen sind, die sich in unserem Fall bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, oder anders gesagt, dass der Nutzungsberechtigte sozusagen ein Ureinwohner des Ortes ist, dem steht das Recht eben zu. Außerdem können wir daraus ablesen, dass Einnahmen aus den Nutzungsrechten durchaus, wie es formuliert ist, "zum Privatvorteil" oder, wie es auch an anderer Stelle beschrieben wird, zur "wirtschaftlichen Ergänzung des eigenen Anwesens" verwendet werden dürfen.

In der heute gültigen Gemeindeordnung in der unveränderten Fassung von 1952 steht:

Art. 80

(1) Öffentliche Rechte einzelner auf Nutzungen am Gemeindevermögen oder an ehemaligem Ortschaftsvermögen (Nutzungsrechte) können nicht neu begründet, erweitert oder in der Nutzungsart geändert oder aufgeteilt werden.

(2) Nutzungsrechte sind nur begründet, wenn ein besonderer Rechtstitel vorhanden ist oder wenn das Recht mindestens seit dem 18. Januar 1922 ununterbrochen kraft Rechtsüberzeugung ausgeübt wird.


Betrachtet man diesen Wortlaut der heute gültigen bayerischen Gemeindeordnung völlig isoliert von den früheren Gemeindeordnungen und von den historischen Hintergründen, so dürfte das Verständnis für Inhalt und Bedeutung der Nutzungsrechte wohl schwerfallen. Und genau so ist die gänzlich eigenwillige, rechtlich bedenkliche und absurde Interpretation des Art. 80 der Gemeindeordnung in der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Regensburg wohl zu verstehen.

Fortsetzung folgt....


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